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Softwareentwicklung in Zeiten von KI

Softwareentwicklung quo vadis?

Der Einsatz von KI verändert die Softwareentwicklung grundlegend. Bald wird mehr Code automatisch generiert als von Entwicklern manuell geschrieben. Dadurch sinken die Kosten für Code, Entwicklungszeiten von Anwendungen verkürzen sich und der Fokus verschiebt sich vom „Wie“ (handwerklich-technische Umsetzung) zum „Was“ (Problemisolierung und Lösungsdefinition). Die Entwicklung von Software und digitalen Services wird dadurch interaktiver und organischer.

Die Rolle des Software-Entwicklers wandelt sich damit auch: generative KI, No-Code und Low-Code-Tools sowie der globale Wettbewerb machen neue Fähigkeiten und Ansätze notwendig. Während klassische Programmieraufgaben an Bedeutung verlieren, entstehen neue Problemstellungen, die innovative Lösungen und interdisziplinäre Kompetenzen erfordern.

Gedankenspiel 1: Daten, Daten und Daten

Qualitativ hochwertige Daten waren immer schon wichtig, werden im Zeitalter von KI aber zu strategischen und knappen Ressourcen. Wer zukunftsfähige Datendienste entwickelt, muss nicht nur programmieren und das Angeforderte ‘in Code giessen’, sondern auch komplexe Datenskills besitzen. Etwa für das Training intelligenter Systeme. Der Bedarf an Daten für solche Zwecke wird sicher das Synthetisieren von Daten notwendig machen, so dass eventuell eine Rolle der zukünftigen Entwicklungspipeline mit Datendesign einhergehen wird.

Gedankenspiel 2: Benutzerinteraktion über alles

KI, VR und AR verändern die Nutzerinteraktion. Visuelle Interfaces haben das Informationszeitalter bislang dominiert. Doch was wird langfristig wichtig sein, wenn Maschinen unsere Sprache verstehen? Wo Displays und Knöpfe gedrückt wurden, genügt es, dem Gerät einen sprachlichen oder durch Gesten ausgeführten Befehl zu geben. Interaktionsdesign wird dadurch zu einer entscheidenden Disziplin und verabschiedet sich früher oder später aus dem visuellen Muff der 90er.

Alles bleibt im Wandel - dieses Mal on steroids

Die Bedeutung klassischer Rollen wie Frontend- und Backend-Entwicklern wird abnehmen. Stattdessen steigt der Bedarf an neuer Expertise. Fachliche Skills werden nötig, die zu moderierenden, überwachenden und kreativen Rollen im Entwicklungsprozess führen könnten. KI verändert das digitale Handwerk – und fordert neue Formen der Zusammenarbeit und Problemlösung.

Zukünftige Rolle von Produktfunktionen

Mit der steigenden Automatisierung bei der Erzeugung von Code und Entwicklung von digitalen Anwendungen verändern sich auch das Aufgabenprofil der Produktmanager, Product Owner und Designer. Statt sich auf das Schreiben technischer Spezifikationen zu konzentrieren, werden sie verstärkt die Anforderungen für KI-gestützte Entwicklungsprozesse definieren. Ihre Rolle verschiebt sich dabei eventuell von der klassischen Schnittstelle zwischen Business und Entwicklung hin zu einer aktiveren Gestaltungsaufgabe innerhalb der Produktentwicklung.

Produktverantwortliche werden weniger mit der Detailplanung von Features und technischen Anforderungen beschäftigt sein, sondern den Schwerpunkt auf die Problemdefinition und die Priorisierung von Lösungen legen. Sie müssen die Weichen stellen, so dass die richtigen Probleme immer frühzeitiger adressiert werden und Lösungen effizient vermarktet werden können. Für alle Produktrollen wird relevant sein, die KI-gestützte Codeerzeugung in die gewünschte strategische Richtung zu lenken. Dabei übernehmen sie die Rolle eines Architekten, der vorgibt, was gebaut werden soll, ohne selbst den Bauplan im Detail zu entwerfen. Product Owner werden ganz sicher weniger stark mit SCRUM oder ähnlichen Methoden beschäftigt sein. Es kann sogar sein, dass die methodischen Schwerpunkte vollständig wegfallen. Zwar nützen kommunikative und moderative Fähigkeiten weiterhin, aber die Entwicklung selbst wird früher oder später in andere Prozesse und Quasi-Standards überführt werden. Eventuell sind technische Produktrollen viel stärker in die Überwachung und Qualitätssicherung der KI-generierten Implementierungen eingebunden. Sie müssen ggfs. die generierten Vorschläge und Ergebnisse kritisch evaluieren, Abweichungen und Definzite erkennen und gezielt Anpassungsvorgänge vornehmen. Die Fähigkeit, KI-Output richtig zu bewerten und mit Geschäftszielen abzugleichen, wird eventuell ein zentraler Teil ihrer Arbeit. Product Designer wiederum müssen sich auf die Konzeption und Ausarbeitung von Nutzerinteraktionen und Erlebnissen konzentrieren, die inzwischen auch jenseits herkömmlicher Benutzeroberflächen liegen. Da die Entwicklung visueller Elemente zunehmend durch automatisierte Tools erledigt wird, verlagert sich ihr Fokus auf die Gestaltung neuer Interaktionsformen (z.B. Sprachsteuerung, Gesten oder immersive Umgebungen) und die Spezifikation von Designanforderungen, die dann von der KI umgesetzt werden.

Insgesamt werden alle Produktrollen stärker in die Steuerung und Orchestrierung von KI-gestützten Entwicklungsprozessen eingebunden sein oder in neun Rollen aufgehen. Sie übernehmen dabei eine Co-Creation-Rolle mit den Technologien, in der sie die Vorgaben an KI-Modelle formulieren, interaktiv mit Entwürfen arbeiten und sicherstellen, dass die Lösungsgenerierung die gewünschten Eigenschaften liefert. Im Zeitalter von KI wird der Entwicklungsprozess organischer sein. Es braucht dafür interdisziplinär aufgestellte Akteure, die kontinuierlich Anforderungen formulieren und prüfen, ob das Resultat mit der Produktvision übereinstimmt. Sie müssen verstehen, wie die KI arbeitet, welche Eingaben (Prompts, Diagramme, etc.) zu den gewünschten Ergebnissen führen, und in einem iterativen Prozess das Design des Produkts verfeinern. Iterationen benötigen aber keine Wochen mehr, wodurch dieser Prozess in Echtzeit geschieht. Software und digitale Lösungen könnten in Lösungsvarianten erstellt werden, die auf optimale Eignung überprüft werden.

Wie sehen Entwicklungsteams von morgen aus?

Die Methoden und die Praxis der Software-Entwicklung werden sich sicherlich tiefgreifend ändern und den Anforderungen der Zeit begegnen müssen. Für die Erstellung von Software werden weniger klassische, handwerkliche Fähigkeiten nötig sein und Teams werden somit sicherlich kleiner. Dafür müssen aber mehr interdisziplinäre Fähigkeiten als integraler Bestandteil in einen kontinuierlichen Entwicklungsfluss eingebettet werden, so dass die Eignung von Lösungsentwürfen sichergestellt werden kann. Vielleicht werden Produktleute zwangsläufig technischer und vielleicht werden Entwickler ‘produktlastiger’. Menschen, die mit der KI zusammen an der Code-Generierung arbeiten, müssen verschiedene Perspektiven in die stellvertretend einbringen, etwa Geschäftsziele, Kundenperspektiven und Nutzeranforderungen. Der Dialogische und organischere Prozess macht es nötig, kreativer mit den Werkzeugen zu arbeiten. So werden auch zunehmend künstlerische, gestalterische Kompetenzen hilfreich.

Aus meiner Sicht müssen zukünftige Entwicklungsteams folgende Bereiche abdecken:

  • Gestalterische Antizipation & Konzeption: Konzeption wird organischer und kontinuierlicher geschehen. Letztlich entsteht ein Prozess, der mit der Situation künstlerischer Gestaltung oder einem Dialogfluss vergleichbar ist. Der Prozess unterscheidet sich von der klassischen Programmierung und auch von einer Entwicklung, die in 2-Wochen-Takten Iterationen hervorbringt. Hier sind neue Kompetenzen nötig.
  • Kuratoren-Funktion: Die präzise Formulierung von Anforderungen und Änderungswünschen als modellierende Funktion eines Co-Creators oder Kurators. Dazu zählt auch die kontinuierliche Überprüfung, ob ein Produktschritt die gewünschte Passung gegenüber einer Zielsetzung aufweist. Aufgrund der neuen Geschwindkeit der Codegenerierung bedarf es neuer Instrumente, um Qualitäten einer Lösung schnell zu erfassen und zu beeinflussen.
  • Qualitätssicherung: Qualitätssicherung und Testing werden auf ein neues Level gebracht werden müssen, da Code in ungeheuren Mengen produziert werden könnte. Aktuelle Ansätze greifen hier viel zu kurz. Es müssen also neue Strategien geschaffen werden und sicher wird auch hierbei KI eine Rolle spielen müssen. Das Gesamtsetup der kollaborativen Mensch-Maschie-Entwicklung zu überwachen wird eine neue Herausforderung darstellen, die eventuell neue Funktionen/Rollen hervorbringt.
  • Technische Reviews werden nötig sein und auch fundierte Programmierkenntnisse erfordern. Jedoch wird auch hier die Perspektive angepasst werden müssen, so dass mit KI-Agenten frühzeitig ein Lösungsweg diskutiert werden kann. Eine undankbare Rolle könnte zwar weiter sein, dass Programmierer den Code von KI reviewen. So richtig sinnvoll klingt das aber nicht. Wichtiger wäre es, Menschen aktiv in die Lösungsfindung einzubeziehen und architektonische Fehlentscheidungen oder Code-Halluzinationen im Vorfeld zu identifizieren. Die gemeinsame Arbeit von Mensch und Maschine mit ER-Diagrammen und anderen technisch-abstrakten Werzeugen könnte hier ein mittelfristig guter Ansatz sein, System-Entwürfe bereits vor der eigentlichen Generierung präziser zu entscheiden.
  • UX und Design Rollen werden wichtig bleiben, aber ich glaube in einer anderen Weise als bislang. Designer werden eventuell auch einer der mit KI interagierenden, menschlichen Agenten. Ihr Anliegen muss die Kuratierung der Erfahrungsqualitäten und Interaktionsweisen des Produktes sein, aber eventuell wird auch der Vertrauenswürdigkeit eine ganz neue Gestaltungsdimension zukommen.

Ein Team könnte also durchaus noch durchwirkt von verschiedenen Fachlichkeiten sein, muss aber nicht zwingend mehr aus den selben und nicht unbedingt aus sehr vielen Personen bestehen.

Fazit: Zukunft muss neu gedacht werden

Generative KI macht ein Umdenken nötig: Anstatt in starren Rollenbildern und Abläufen zu verharren, wird eine effizientere, zielgerichtetere und übergreifendere Verflechtung von Fachlichkeiten sowie kreativen und kommunikativen Fähigkeiten notwendig. Das Erzeugen von Code wird billig und schnell, das macht die Beurteilung von Ergebnissen schwieriger. Für Unternehmen bedeutet das, Prozesse neu zu denken, Weiterbildungsmöglichkeiten zu schaffen und neue Kompetenzen zu fördern. Es mag sein, dass nur die effizientesten und innovativsten Unternehmen diesen Wandel durchstehen werden. Doch gleichzeitig öffnet eine Tür für bislang völlig untechnische Akteuere. KI, No-Code etc. vereinfacht es vielen Menschen, technische Werkzeuge zu erstellen. Und damit verändert sich letztlich aber auch der Bedarf, neue Lösungen werden nötig, andere werden an Relevanz verlieren. Softwarehersteller müssen sich eventuell in vielerlei Hinsicht neu erfinden. Die Veränderungen beinhalten wie immer Risiken, aber auch Chancen.

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